Leseprobe "Witcher? - Kampf der Blutelfen 2"

 

 

Der Wind spielte mit seinen Haaren, während der Blick in die Ferne schweifte. Wer genau hinschaute, konnte eine deutliche Rastlosigkeit erkennen, deren Ursachen vielfältig waren. Die Zweige der Bäume wiegten sich leicht und ihre silbern glänzenden Blätter schienen ihm zuzulächeln.

 

Auch die Nacht hatte ihr schönes Gewand anlegt, neben einem tiefen Schwarz säumte ein tiefes [j1] Blau den Himmel, auf dem sich spielend winzige Sterne tummelten. Ein melancholischer Ausdruck zeichnete sein schmales, ebenmäßig geformtes Gesicht, in dem Schmerz, aber auch Intelligenz verborgen lag.

 

Wie lange verweilte er schon hier? Zwei Jahre und trotzdem schien es wie eine Ewigkeit. Noch länger war nur die Zeit gewesen, in der er darum kämpfen musste, hier zu sein. Auf seinen, mit dünnem Stoff bedeckten Armen bildete sich eine Gänsehaut. Niemals mehr wollte er zu etwas gemacht werden, was nicht seiner Natur entsprach. Die innerlichen und äußerlichen Narben waren bis heute nicht vollständig verheilt und trotz seiner langen natürlichen Lebenszeit war er sich gewiss, dass dies nie passieren würde. Dennoch hatte er sein Ziel erreicht und sollte [j2] glücklich sein.

 

Glücklich? Er presste die Lippen aufeinander, bis sie eine weiße Linie bildeten. Seine Seele sollte es sein, aber dem war nicht so. Sein Gesichtsausdruck wechselte von Melancholie zu Traurigkeit und er stützte seine Arme auf die Fensterbank. Glücklich war er nicht… auf keinen Fall. Aber warum? Eine klare Antwort wusste er selbst nicht. Vielleicht, weil er selbst hier unter den Intellektuellen und Liebhabern der Schreibkunst ein Außenseiter war, da er sein Studium ernst nahm und sich lieber hinter dicken Büchern vergrub, anstatt mit den anderen Elfen durch die Wälder zu toben. Insgeheim fragte er sich sogar, weswegen einige von ihnen überhaupt hierhergekommen waren, wenn sie viel lieber draußen in der Natur waren und sich sportlichen Aktivitäten widmeten.

 

„Mutter“, flüsterte er und sein Blick wanderte zum Himmel.

 

Obwohl die Königin schon seit einiger Zeit im Mondlicht weilte, hielt er immer noch Zwiesprache mit ihr, wenn es die Situation erforderte.

 

„Offenbare mir den Lebenssinn. Wohin wird mein Weg mich führen? Gib mir ein Zeichen, ich bitte dich.“

 

Bei den letzten Worten hob er beschwörend die Arme und ignorierte die Furcht, seine Kameraden oder gar die Lehrer könnten ihn hören. Todesmagie war alles andere als ungefährlich, aber das war ihm im Moment egal. Er hatte lange genug über seine Verzweiflung geschwiegen und außerdem bat er seine Mutter um Hilfe, anstatt irgendeinen Dämon zu beschwören.

 

Sekundenlang passierte nichts und seine Arme wieder an seine Seiten herab. Hatte er etwas falsch gemacht? Ein plötzliches Geräusch ließ ihn zusammenfahren. Es hörte sich an, als ob in seinem Zimmer etwas zu Bruch gegangen wäre. Ein bisschen ängstlich lugte er in den Raum. Auf den ersten Blick schien alles wie immer, obwohl …

 

 


Leseprobe "Schwarze Versuchung" *

 

Obwohl der Pestdoktor etwas Unheimliches an sich hatte, verfolgte sie das Geschehen, zumal er keine Anstalten machte, ihr etwas anzutun. Die ängstliche Reaktion der drei Halbstarken beeindruckte das Wesen nicht. Mit leicht schlurfenden und doch festen Schritten ging es auf sie zu, die Augen starr auf ihre Körper gerichtet. Mayra überlegte schon, ob sie eingreifen sollte, da sie der Gestalt durchaus zutraute, ein Messer oder ähnliches zu ziehen. Doch bevor sie etwas sagen konnte, drang der langgezogene Schrei eines Raben an ihr Ohr. Eine Gänsehaut kroch über ihren Körper, als der Pestdoktor erneut zu sprechen begann.

„Wa…wagt…es noch einmal, Ma…Mayra zu drangsalieren und ich w…werde euch vierteilen“, wie zum Beweis wirbelte er mit seinem Holzstab herum, der wie Mayra erst in diesem Augenblick erkannte, eine Sense war. Außerdem glühten die Augen in einem unheimlichen Rot.

 

Jetzt erschrak auch sie. Wer verbarg sich hinter dieser furchteinflößenden Pestdoktorverkleidung

 

„Los … weg hier, Alter“, ohne die Reaktion seiner Freunde abzuwarten, suchte der Erste das Weite.

 

Auch die beiden anderen ließen sich nicht lange bitten, warfen einen letzten panischen Blick auf die gefährlich im Mondlicht glänzende Schneide und rannten davon wie die Wiesel. Es glich einem Wunder, dass sie dabei nicht über ihre eigenen Füße stolperten.

 

Mayra stieß die angehaltene Luft aus, eine Last fiel von ihrem Herzen und dieses Gefühl verschwand merkwürdigerweise auch nicht, als der Pestdoktor sich umdrehte und sie nunmehr fokussierte.  Dabei nahm er langsam die Maske ab und Mayras Herz machte einen Sprung? … nein … das konnte nicht sein … Mayras Herz vollführte einen Sprung. Aus Überraschung, aber auch vor Freude ...

 

„Mayra … mein Kind. Vor mir brauchst du dich doch nicht zu erschrecken.“

 

Die Angesprochene wusste nicht, ob sie weinen oder hysterisch lachen sollte. Sie besaß zwar einen tiefverwurzelten Glauben an das Übersinnliche, doch damit hätte sie niemals gerechnet. Trotzdem sträubte sie sich nicht, als die alte Frau sie in eine kurze Umarmung zog.

 

„Oma … wie ist das möglich?“, stammelte Mayra, ihre Fassungslosigkeit konnte sie kaum verbergen.

 

Die alte Frau lächelte und offenbarte dabei eine Reihe Zähne, die ein wenig spitzer aussahen als zu ihrer Lebenszeit.

 

*aus der Anthologie Hot Blood Helloween

 

 


Leseprobe "Grabesstimme"

 

 

Wenn Freundschaft tödlich endet

 

In Memoriam Julia D.

 

Sie war noch ein Kind, als es begann.

Achtausendfünfhundert Tage lang zerriss sie stumm der menschliche Mann.

Einzig, allein der Vater reichte ihr die Hand,

doch auch er kam gegen den Sturm nicht an.

 

Im zarten Alter von elf Jahren erzählte sie einer Freundin.

„Ich glaube, ich fühle mich zu Frauen hingezogen,

sie zu lieben scheine ich geboren.

Verabscheust du mich nun, weil ich anders bin?“

 

Natürlich verneinte sie diese Frage,

doch hinterm Rücken fing der Mund an zu erzählen,

lud fremde Leute ein, das Mädchen zu quälen.

Mitgefühlstarb an diesem Tage.

 

Übliche Gerüchte wurden gestreut

und obwohl sie versuchte zu fliehen,

schienen die Worte nicht zu besiegen.

Ich frage mich, ob es jemand bereut.

 

Sie war viel zu jung, als sie starb,

als sie dort hing, fiel ein Stern hinab

und erhellte kurz die finstere Nacht.

Nun ruht sie friedlich im Grab.